Das Elixier des Lebens: Mehr Energie durch richtige Atmung
Nichts verbindet uns mehr mit dem Leben als der Atem: von dem Moment an, wenn die Nabelschnur zur Mutter gelöst wird, bis zum letzten Atemzug, wenn wir sterben. Die Atmung versorgt uns mit lebenswichtigem Sauerstoff und beeinflusst die Funktion der inneren Organe. Auch ob wir angespannt oder entspannt durch den Alltag gehen, hängt vom richtigen Ein- und Ausatmen ab.
‚Trotz der enormen Bedeutung, die unsere Atmung auf Gesundheit und Wohlbefinden hat, widmen wir ihr in der Regel zu wenig Aufmerksamkeit. Atmen geschieht meist unbewusst und wird als Selbstverständlichkeit angesehen. Die Atemfrequenz beträgt normalerweise 12 bis 16 Atemzüge pro Minute. Durch den ständigen Wechsel der zwei Phasen Einatmung und Ausatmung führt die Atmung zu einem rhythmischen Austauschprozess von Aufnahme und Abgabe beziehungsweise Nehmen und Geben. Goethe beschrieb die wichtigste Funktion der Atmung folgendermaßen:
„Im Atemholen sind zweierlei Gnaden, die Luft einziehen, sich ihrer entladen, jenes bedrängt, dieses erfrischt, so wunderbar ist das Leben gemischt.“.
Mit jedem ruhigen Atemzug atmen wir etwa einen halben Liter Luft ein, der über Nase, Luftröhre und Bronchien zu den 400 Millionen Lungenbläschen gelangt, in denen der Luftsauerstoff ins Blut aufgenommen und Kohlendioxid in die Ausatemluft abgegeben wird. Der über das Blut in alle Zellen transportierte Sauerstoff sorgt für eine Umwandlung der mit der Nahrung aufgenommenen Nährstoffe in Energie. Die bei diesem Verbrennungsprozess anfallenden gasförmigen Schlacken werden als Kohlendioxid mit der Ausatmung ausgeschieden. Über den Atem entledigen wir uns 70 Prozent aller Schlacken- und Abfallstoffe, über die Haut verlieren wir 20 Prozent und über Urin und Stuhl 10 Prozent. Das von uns erzeugte Kohlendioxid wird von den Pflanzen aufgenommen und wieder in Sauerstoff umgewandelt. Das zeigt, wie stark uns die Atmung mit der Natur verbindet, und wie wir in dauernder Wechselbeziehung mit ihr stehen. Tiefes und bewusstes Atmen erhöht die Sauerstoffzufuhr und führt zur verstärkten Ausscheidung von Abfall- und Schadstoffen. Nur wenige Menschen atmen jedoch so, dass der ganze Organismus optimal mit Sauerstoff versorgt wird. Meistens atmen wir zu flach. Dabei könnten Verdauungsprobleme, Blähungen, Rückenschmerzen und Konzentrationsstörungen mit einer guten Atmung gebessert werden. Auch deshalb lohnt es sich, über diesen lebenswichtigen Vorgang nachzudenken und das Bewusstsein für eine gute Atmung zu schulen.
Regelmäßiges Üben lässt den Atem bewusst werden.
Der wichtigste Atemmuskel, das Zwerchfell, ist eine Platte aus Muskeln und Sehnen; welche beim Menschen und den übrigen Säugetieren Brust- und Bauchhöhle voneinander trennt. Oberhalb liegen Herz und Lunge, unterhalb die Verdauungsorgane: Magen, Darm, Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse. Das Zwerchfell hat eine kuppelförmige Gestalt. Beim kräftigen Einatmen füllt sich die Lunge mit Luft. Ihr Volumen nimmt zu und drückt die Kuppel nach unten in Richtung Bauchraum. Bei der Ausatmung nimmt das Volumen wieder ab, und die Wölbung schnellt nach oben. Durch die andauernde Wiederholung entsteht eine Massagewirkung auf die Verdauungsorgane. Sie werden besser durchblutet und verkrampfen nicht so leicht. Das fördert die Verdauung, reguliert den Stuhlgang und löst Blähungen. Wirksame Hilfe bietet das bewusste Atmen auch allen Bauchschmerzpatienten, die durch langes Sitzen im Büro oder im Auto Beschwerden bekommen. Wer in schmerzfreien Zeiten übt, weiß im Ernstfall, was zu tun ist. Immer wieder an die Atmung denken, den Atem dabei spürbar und erlebbar machen, das ist durch regelmäßiges Üben möglich. Einige Sekunden mehrmals täglich können schon viel bewirken, z. B. im Auto, beim Spazierengehen oder auch im Bett. Die daraus resultierende vertiefte und wohltuende Atmung praktizieren wir mit der Zeit auch dann, wenn wir nicht bewusst an sie denken.
Tiefe Atemzüge sind Doping für das Gehirn
Regelmäßige Atemübungen sind nicht nur ein Training für Zwerchfell und Lunge. Sie verbessern auch in hervorragender Weise die Gehirndurchblutung. Das spüren alle, die sich kleine Arbeitspausen gönnen und regelmäßig am offenen Fenster ein paar tiefe Atemzüge genießen. Sie werden wieder frisch und leistungsfähig. Die Müdigkeit schwindet, und das Denkvermögen nimmt zu. Daher ist der Hinweis „Erst einmal tief durchatmen!“ keine leere Floskel. Eine Atem- und damit eine kurze Denkpause kann ausreichen, passende Worte zu fin den, Ärger abzumildern oder eine richtige Entscheidung zu fällen. In den östlichen Weisheitslehren und Gesundheitssystemen wird der Atmung von jeher viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt als in der westlichen Welt. Beim Yoga, Tai Chi und Qigong wird die Kraft des Atems zur Heilung von körperlichen Krankheiten sowie zur Förderung von Konzentration und gesteigerter Lebensenergie genutzt. Diese Übungen sind also eine Wohltat für Körper, Geist und Seele. Mit dem Erlernen derartiger Techniken hat man die Möglichkeit, sich jederzeit selbst Gutes zu tun und den Stresspegel niedrig zu halten. Stressbewältigung, Atemtraining und Wohlbefinden sind jedoch auf vielerlei Weise möglich. Joggen, Radfahren, Tanzen, Bergsteigen und viele andere sportliche Tätigkeiten versorgen den Körper optimal mit Sauerstoff, pflegen Herz und Kreislauf und entlasten die überforderte Psyche.
Mit Atemübungen gezielt Verspannungen lösen
Auch Rücken- und Nackenverspannungen können durch tiefe Atmung gelöst werden. Wer einen langen und tiefen Atemzug macht, richtet unwillkürlich die Wirbelsäule auf, weil es anders gar nicht geht. Damit lassen sich in kurzer Zeit Verkrampfungen und Verspannungen im gesamten Bewegungsapparat lösen. Mit etwas Übung gelingt dadurch sogar das Einsparen von Schmerztabletten. Es gilt als erwiesen, dass bei den meisten Rückenschmerzpatienten verkrampfte Muskeln für die Beschwerden verantwortlich sind. Nur selten sind Veränderungen an Knochen und Gelenken die Auslöser für Schmerzen.
Eine tiefe und entspannte Atmung wirkt sogar verjüngend. Falten erscheinen weicher, Gesichtszüge gelöster und freundlicher. Eine Lockerung der gesamten Muskulatur macht es nahezu unmöglich, einen verbissenen und biestigen Gesichtsausdruck beizubehalten. Die Kleidung sollte man so wählen, dass der Atem den ganzen Tag locker fließen kann. Zu enge Hosen oder Röcke können da eher hinderlich sein. Auch verkrampfte und eingesperrte Füße in zu engen Schuhen lassen keine entspannte Atmung zu. Sorgfalt beim Schuhkauf lohnt sich daher auf jeden Fall. Die Atmung steht eng mit dem vegetativen (unbewusst arbeitenden) Nervensystem in Verbindung. In kritischen Verkehrssituationen, bei der Begegnung mit unangenehmen Mitmenschen, bei Angst, Auseinandersetzungen und Zeitnot reagiert der Körper mit Stresssymptomen, wie Schweißausbrüchen, Mundtrockenheit und stockendem Atem. Mit einigen tiefen und ruhigen Atemzügen lässt sich das Nervensystem wieder beruhigen. Wohltuend ist es, den Atem zu beobachten und gute Gerüche bewusst wahrzunehmen. Leider lohnt es sich gerade für Stadtmenschen ganz und gar nicht, auf dem Heimweg von der Arbeit so richtig tief durchzuatmen. Umso schöner und wichtiger ist es, zu Hause alles zu genießen, was der Nase Freude bereitet. Mit geschlossenen Augen bieten sich besonders interessante Geruchserlebnisse: ein aufgeschnittener Apfel, eine Scheibe Brot, ein Glas Rotwein, eine Tasse Kaffee. Der bewusste Genuss erhöht die Freude am Verzehr und schult zudem die Atmung. Die Freizeit dort zu verbringen, wo es gut riecht und das Atmen gut tut, ist nicht nur für die Atemwege ein Segen.
Angenehme Gerüche fördern tiefes Atmen
Achtsamkeit, Innehalten, Pflege der Resilienz (seelische Widerstandskraft) — vermeintlich moderne, aber in Wirklichkeit uralte Hinweise auf eine gesunde Lebensweise, ein gutes Körpergefühl und einen liebevollen Umgang mit sich selbst, seinen Empfindungen und Emotionen könnten ohne eine bewusste und gute Atmung nicht gelingen. Eine Motivation für all diejenigen, die meinen, dass sie wegen der Atemübungen nun wieder etwas von ihrer wertvollen Freizeit abzweigen müssten: Wer an seine Atmung denkt, macht automatisch schon einen tiefen Atemzug. Auch beim Lachen und Singen atmet man automatisch richtig. Und die meisten Sportarten unterstützen eine kräftige Atmung.
Autorin Marianne Porsche-Rohrer,
Jahrgang 1949, Apothekerin und Heilpraktikerin sowie Dozentin.
Weiterführende Literatur:
Mazdaznan Atmen- und Gesundheits-Kunde
ISBN: 978-3-938678-05-3
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