Der Nacktmull
Der Nacktmull ist ein wahrhaft besonderes Tier. Mit seiner rosafarbenen faltigen Haut, splitterfasernackt bis auf wenige Sinneshaare und schräg vorstehenden Schneidezähnen, ist der Nacktmull nicht direkt mit Schönheit gesegnet.
Doch man sollte sich nicht voreilig von seinem Äußeren beirren lassen. Denn das tatsächlich Besondere an ihm ist, dass der Nacktmull scheinbar ewig lebt! Als cleveres Langlebigkeitsmonster begeistert er damit die Wissenschaft rund um die Welt.
Im Vergleich zu seinen Verwandten, den Labormäusen, lebt der Nacktmull circa 10- bis 20-mal länger. In absoluten Zahlen ausgedrückt, stehen demnach einer Lebenserwartung von bis zu drei Jahren bei der Labormaus mehr als 32 Jahre beim Nacktmull gegenüber. Rechnet man das Verhältnis auf den Menschen um, wäre das ein über 800 Jahre langes Leben.
Noch dazu bleibt der Nacktmull bemerkenswert lange gesund. Es ist nahezu unmöglich, einen jungen Nacktmull von einem älteren Exemplar zu unterscheiden.
Tatsächlich lebt der Nacktmull in unterirdischen Höhlen, wo es kaum Sauerstoff gibt (hypoxischer Lebensraum). Nacktmulle haben einerseits kleine Lungen. Anderseits zeigt ihr Hämoglobin eine sehr hohe Sauerstoff-Affinität. Dadurch können die Tiere sehr effizient Sauerstoff in ihrem Blut transportieren. Außerdem haben die Nacktmulle tatsächlich eine sehr niedrige Atmungs- und Stoffwechselrate, die ihren Sauerstoffverbrauch minimal hält. In längeren Hungerperioden wird diese sogar nochmals um etwa 25 Prozent gesenkt.
In der Regel sind Herz- und kognitive Funktionen bei gealterten Nacktmullen gut erhalten. Ihr Gehirn scheint auf natürliche Weise vor neurodegenerativen Prozessen geschützt zu sein. Sie bleiben ihr gesamtes Leben lang über aktiv. Weder Verlust der Fruchtbarkeit, noch Muskel- und Knochenschwund kann mit zunehmendem Alter vermerkt werden. Altersbedingten Krankheiten wie Krebs sind für ihn kein Thema.
Selbst wenn Forscher im Labor versuchen, den Nacktmull künstlich mit Krebs zu „infizieren“, was bei Labormäusen ein simples, gängiges Unterfangen ist, geschieht nichts.
Statt sich zu aggressiven und schnell-wachsenden Krebsgeschwüren zu entwickeln, sterben die injizierten Krebszellen einfach ab. Das ist besonders kurios.
Die Wissenschaft fragt sich: Was ist es, dass den Nacktmull nahezu unsterblich macht?
Dieser Frage gingen 2011 Wissenschaftler der University of Texas im Health Science Center San Antonio nach. Sie untersuchten Fibroblasten, also Zellen des Bindegewebes, von Nacktmullen und Labormäusen in der Zellkulturschale. Was sie herausfanden, ist einfach bemerkenswert: in den Zellen des Nacktmulls findet bedeutend mehr Autophagie statt!
Quelle: Rodriguez KA, Wywial E, Perez VI, et al. Walking the oxidative stress tightrope: a perspective from the naked mole-rat, the longest-living rodent. Curr Pharm Des. 2011;17(22):2290-2307. doi:10.2174/138161211797052457
Author: Johannes-Peter Wegner am 12. Jul 2023 17:38, category: Autophagie, comments per feed RSS 2.0, writing comment, Trackback-URL